Obsoleszenz bei Ersatzteilen: Reagieren statt Ignorieren
Mit der zunehmenden Digitalisierung von Fertigungsanlagen erbt die Industrie die massive Obsoleszenz der Elektronikindustrie. Diese ist Folge der hohen Innovationgeschwindigkeit in der Elektronik und der Abkündigung älterer Bauelemente.
Das Ersatzteilgeschäft muss hier Schritt halten, um nicht Kunden zu verlieren.
𝗜𝗻𝗵𝗮𝗹𝘁𝘀𝘃𝗲𝗿𝘇𝗲𝗶𝗰𝗵𝗻𝗶𝘀 zum Aufklappen
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Obsoleszenzmanagement im Maschinenbau
Die Ersatzteil-Organisation muss zeitnah auf Änderungen und Abkündigungen reagieren. Leider wird sie meist sowohl von Herstellern als auch innerhalb des Betriebs mit den Problemen alleingelassen.
Das Obsoleszenzmanagement ist im Ersatzteilgeschäft zu wenig bekannt, da die Lebenszyklen im Maschinenbau bislang sehr lang waren. Mit der Digitalisierung werden diese kürzer. Damit trifft die Obsoleszenz auch renommierte Hersteller.
Ein erheblich höheres Risiko bergen Änderungen oder gar Fälschungen. Ob daraus eine Obsoleszenz wird, zeigt sich erst im jeweiligen Einsatzfall.
Besonders kritisch sind sicherheitsrelevante Anwendungen oder zertifizierte Umgebungen. Hier muss nachgewiesen werden, dass eine geänderte Einheit eingesetzt werden kann.
Das Problem dabei:
man muss von der Änderung erfahren.
Sie lesen einen Beitrag von Dr.-Ing. Wolfgang Heinbach
Das Obsoleszenz-Modell eines Unternehmens zeigt, dass Obsoleszenz im Unternehmen sowohl von der Zulieferseite als auch durch interne Vorgänge verursacht wird. Dies wiederum erzeugt Obsoleszenz für die eigenen Ersatzteile.
Je komplexer die Zulieferkette ist, je mehr Technologien, Materialen und Logistikformen existieren, umso höher ist das Obsoleszenzrisiko.
Obsoleszenz-Modell im Ersatzteilmanagement
Einordnung des Obsoleszenz-Managements
Obsoleszenzmanagement dient der Vermeidung und Reduktion der Auswirkungen durch Obsoleszenz. Die sechs Bausteine sind:
- Plan: was wird betrachtet
- Organisation: wer ist beteiligt und hat welche Rolle
- Risiken: welche Risiken, wodurch ausgelöst und mögliche Auswirkungen
- Tools: Daten, Verwaltung, Anbindung an bestehende IT-Systeme
- Analyse: Auswirkungen eines konkreten Falles und mögliche Maßnahmen
- Maßnahmen: Definition der Maßnahmen und deren Umsetzung
Zur schnellen Einführung und Umsetzung einer agilen Implementierung genügt zunächst der Fokus auf die drei wesentlichen P:
- den Plan,
- die Partner und
- eingehende Produktänderungen bzw. –abkündigungen.
Mehr finden Sie auch in der VDI-Richtlinie 2882 Obsoleszenzmanagement aus Sicht von Nutzern und Betreibern vom Mai 2018.
Definition der Obsoleszenz
Definition nach IEC Norm 62402:
Obsoleszenz ist der Übergang einer Einheit von verfügbar zu nicht verfügbar vom Hersteller nach der Originalspezifikation.
Obsoleszenz liegt vor, wenn mindestens eine der drei Bedingungen erfüllt ist:
- Nicht verfügbar: Abkündigung, nicht mehr lieferbar, Verbot aufgrund gesetzlicher Bestimmungen
- Hersteller: Änderung zu lizenziertem / unlizenziertem (Fälschung) Hersteller, Wechsel des Herstellortes
- Originalspezifikation: Änderung von Material, Abmessungen, Eigenschaften
Der Begriff Einheit umfasst neben Material, Komponenten, Ersatzteilen und Baugruppen auch Software, Daten, Normen, Dokumentation bis hin zu Services, Wissen und Verfahren.
Ist eine Einheit nicht mehr verfügbar, so ist dies sofort ersichtlich. Die Auswirkungen lassen sich direkt ableiten:
eine aktive Obsoleszenz auf der Lieferanten-Seite.
Der Obsoleszenz Management Plan
In einem Obsoleszenz-Management-Plan werden folgende Punkte definiert und regelmäßig angepasst:
- die Objekte, auf die Obsoleszenz Management angewendet wird:
welche Anlage? welche Maschine? welches Bauteil? - das Wissen, welches für das Obsoleszenz Management notwendig ist:
Kompetenzen, Dokumentation - die geplanten Lebenszyklen
- das Budget und damit verbundene Aktivitäten
- die Risiken und Risikobereiche
- die eingesetzten Systeme (z.B. eine Obsoleszenz Management Software) mit den betreffenden Daten
Ein erster Plan kann in einem Workshop erarbeitet werden. Damit ist eine Dokumentation innerhalb einer Woche möglich.
Die Partner im Obsoleszenzmanagement
Obsoleszenz-Management ist eine Querschnittsfunktion. Aufgrund der Betriebsrisiken sollte die Geschäftsleitung einbezogen werden. Ein Obsoleszenz-Manager übernimmt die Rolle des zentralen Ansprechpartners und pflegt den Obsoleszenz-Management-Plan. Dazu nennen Abteilungen wie Einkauf, Konstruktion, Produktion ihre Ansprechpartner. Diese liefern Informationen und sind bei der Analyse und auch im Rahmen von Maßnahmen eingebunden.
Produktänderungen und -abkündigungen, Kern des Obsoleszenz-Managements
Während die Punkte zuvor betriebsintern sind, betreffen Änderungen sowie Abkündigungen zugelieferter Ersatzteile die Schnittstelle zu Lieferanten. Dabei steht PCN für „Product Change Notifications“.
In der Elektronikindustrie sind PCN seit Jahren etabliert. Im Maschinen- und Anlagenbau, der Automatisierungs- und Steuerungstechnik sind PCN dagegen wenig verbreitet. Zudem gab es bislang keine formellen oder gar digitalen Standards für PCN.
Der VDMA hat 2017 den smartPCN Standard der Component Obsolescence Group Deutschland e.V. (COGD) aufgegriffen und überarbeitet. Zudem standardisierte der VDMA den smartPCN im Einheitsblatt 24903.
Dieses Einheitsblatt regelt die Begriffe, Zeiträume und Inhalte einer PCN. Außerdem definiert es ein Datenformat, das parallel als smartPCN 3.0 veröffentlicht ist. Die COGD bereitet aktuell zudem die internationale Standardisierung des smartPCN Formats vor.
Die D+D+M Daten- und Dokumentations-Management lädt regelmäßig zu Obsoleszenz-Workshops ein.
Stammdaten-Änderungen per smartPCN / VDMA 24903 übertragen
Eine smartPCN besteht aus einem Zip-Container, der mehrere Dateien enthält. Eine XML-Datei stellt den maschinenlesbaren Anteil dar. Diese enthält alle Daten, die zu einer automatisierten Bearbeitung nötig sind. Das kann beispielsweise für ein Obsoleszenz Management-Tool sein. Enthalten sind
- die Daten sämtlicher Einheiten, die von der PCN betroffen sind,
- deren Life-Cycle Daten,
- mögliche Ersatztypen,
- Produkt- und Änderungskategorien
und
- kurze textuelle Beschreibungen.
Außerdem sind jegliche Zusatzinformationen, Zeichnungen, Beschreibungen, Bilder usw. enthalten, die für die Analyse benötigt werden. Diese befinden sich in einem Attachment-Ordner.
Aufbau von SmartPCN für das Obsoleszenz Management
Product Change Notification Datenbanken und digitales Obsoleszenz Management
In der Elektronik gibt es bereits heute Datenbanken mit technischen Informationen, den Life-Cycle Daten sowie den Product Change Notifications.
Vergleichbares fehlte bisher für den Maschinenbau und die Automatisierungstechnik. Mit dem smartPCN Format lassen sich heute standardisierte Datenbanken und Tools aufbauen. Beispiele hierfür sind insbesondere die pcn.global Datenbank und die Obsoleszenz Management Software pcn.cockpit. In die pcn.global Datenbank können auch konventionelle PCN aufgenommen werden, nachdem sie zu smartPCN konvertiert wurden.
Mit smartPCN wird das PCN Management erheblich vereinfacht. Schließlich kann die Suche nach Abkündigungen damit automatisch erfolgen. Ein Beispiel dafür ist die Kombination von pcn.global und pcn.cockpit.
Die zentrale pcn.global-Datenbank nimmt so jeden Tag die Product Change Notifications vieler Hersteller im smartPCN Format auf.
Das pcn.cockpit-Tool läuft auf einem Server im eigenen Betrieb. Damit besteht ein Zugang zu den Stammdaten aus Instandhaltungs- oder ERP-Systemen. Täglich werden diese Daten mit dem pcn.global Daten-Bestand abgeglichen. Die Obsoleszenz Management Software pcn.cockpit zeigt die Treffer an. Die smartPCN werden dann heruntergeladen und sind Ausgangsbasis für integrierte Workflows. So vereinfacht es die Analyse und die daraus folgenden Maßnahmen. Dieser Prozess ist bewährt und bereits vielfach umgesetzt.
PCN und Obsoleszenzmanagement System im Ersatzteilmanagement
Ablauf-Vereinfachung der Obsoleszenz-Bearbeitung per SmartPCN
Der manuelle Aufwand für die Suche nach PCN, die E-Mailbearbeitung, Überführung in mehr oder weniger geeignete Systeme – meist eine Tabelle – entfällt und jeder Empfänger gewinnt Zeit und Kapazität zur Umsetzung der Maßnahmen wie
Autor dieses Beitrags ist Dr.-Ing. Wolfgang Heinbach.Er ist heute Partner in der Unternehmensberatung SYMLIOM. SYMLION steht für Systemisches Life Cycle-, Obsoleszenz- und Material-Management.
Er war vorher Geschäftsführer der D+D+M Daten- und Dokumentationsmanagement in Stuttgart. Die D+D+M Daten- und Dokumentationsmanagement ist Businesspartner der COGD (Component Obsolescence Group Deutschland e.V.)
Neue Prozesse in bestehende Unternehmensprozesse aufzunehmen ist aufwändig. Für das Obsoleszenz Management trifft das in besonderem Maße zu.
Denn es ist eine Querschnittsfunktion, die viele etablierte Prozesse betrifft. Zur agilen Implementierung eignet sich daher folgendes Vorgehen:
Das Obsoleszenz-Management wird als getrennter, schlanker Prozess parallel zu den anderen Prozessen eingeführt. Über die einzelnen Sprints
- Obsoleszenz Management Plan,
- Stammdaten,
- Organisation
und
- Product Change Notification Management
mit direkter Abbildung in einer Obsoleszenz Management Software, wird innerhalb weniger Wochen ein einfaches, aber wirksames OM installiert. In der Regel liefern Instandhaltungs- und ERP-Systeme Stammdatentabellen, die Sie einfach in eine Obsoleszenz Management Software, wie das pcn.cockpit, importieren. Damit entfallen langwierige Schnittstellenabsprachen.
Überall dort, wie aus dem OM eine Aktion entsteht, wird der jeweilige Unternehmensprozess verwendet, wie Beschaffung, Lagerung, Qualifizierung, Konstruktionsänderung oder Maschinenumbau.
Innovation mittels digitaler Product Change Notifications meistern
Obsoleszenz nimmt durch
- die hohe Innovationsgeschwindigkeit,
- die zunehmende Digitalisierung,
- und globale, komplexe Lieferketten
ständig zu. Obsoleszenz ist damit ein ernsthaftes Geschäftsrisiko und kann nicht ignoriert werden.
Mit dem Obsoleszenzmanagement (OM) bietet sich bewährte Methoden, um sowohl proaktiv Risiken zu bewerten und zu reduzieren, als auch reaktiv strukturiert zu bearbeiten.
Neben einem OM-Plan und der Festlegung einer OM-Organisation ist das Management von Produktänderungen und –abkündigungen ein essentielles Element eines einfachen, leicht zu implementierenden OM. Das passende Tool hierzu ist eine vernetzte Obsoleszenz Management Software.
Mit smartPCN und VDMA 24903 wird die Kommunikation und Bearbeitung von PCN durch die automatisierte Bearbeitung mittels geeigneter OM-Tools erheblich vereinfacht. Damit kann OM agil im Unternehmen eingeführt werden, ohne die bestehenden Unternehmensprozesse und IT-Infrastruktur nennenswert zu ändern.
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Andreas.Noll@no-stop.de