Kapitalbindung durch Ersatzteil-Bestand senken
Die Bestände in Ersatzteil-Lägern stehen in vielen Unternehmen für einen beachtlichen Teil des gebundenen Kapitals. Und das bei einem geringen Lager-Umschlag. Diese Kombination lässt daher nicht zufällig Sparpotenzial vermuten.
In diesem Beitrag werden Ihnen Methoden vorgestellt, wie Sie nicht nur Potenziale zu reduzierter Kapitalbindung identifizieren. Im Folgeschritt geht es dann allerdings um die Implementierung besserer Prozesse.
Denn nur so vermeiden Sie Strohfeuer-Effekte
𝗦𝗲𝗶𝘁𝗲𝗻𝗶𝗻𝗵𝗮𝗹𝘁 (aufklappbar)
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Im Bestand gebundenes Kapital erst analysieren, dann reduzieren
Das Bestandscontrolling ist der entscheidende Baustein in der Kette von der Erkenntnis einer zu hohen Kapitalbindung bis zur Reduzierung der Bestände.
Denn nur verbesserte operative Prozesse verhindern unnötigen Bestands-Aufbau und sichern Ihre Liquidität. Ein derartiges konsequentes Vorgehen vermeidet zukünftige Wertberichtigungen .
Aber auch für konkrete Bestandsreduzierungen bietet das Controlling die Ansätze an.
Bestände sind Aufgabe des Ersatzteilmanagements. Schließlich wird Ihr ständig zunehmender Lagerfüllgrad sicher nicht durch Ihre Buchhaltung reduziert. Dafür bedarf es Ihrer ständigen Beobachtung. Relevant sind Ihre daraus abgeleiteten steuernden Maßnahmen.
Analyse der Kapitalbindung durch Bestand an Ersatzteilen
Bei tausenden an Ersatzteilen im Bestand ist es müßig, eine Liste aller Teile von oben nach unten durchzugehen.
Jetzt ist Pareto gefragt:
Vorgehen nach Pareto - die relevanten Bestandspositionen identifizieren
Erstes Mittel der Wahl ist insbesondere die ABC-Analyse des Bestands. Hier ein Beispiel. Dabei wende ich folgende Grenzen an:
- a: bis 5 %,
- b: von 5 % bis 20 %,
- c: die restlichen 80 %,
jeweils vom Wert des Bestands. Der Wert der Bestandspositionen ist natürlich ohne Wertberichtigung.
Analyse Kapitalbindung im Ersatzteillager mit abc-Klassifizierung
Wie sofort ersichtlich, stellen lediglich 10 Ersatzteile 5 % des gesamten Bestands. Nur weitere 98 Ersatzteile füllen die Wert-Klasse b. Damit haben wir für eine kurzfristige Aktion zur Senkung der Kapitalbindung eine recht überschaubare Zahl an Artikeln. Doch dies alleine genügt noch nicht.
abc des Ersatzteil-Bestands um Gängigkeit ergänzen
Daher ergänzen wir die jeweiligen Bestandspositionen um die Gängigkeit. Die Gängigkeit beschreibt, wie häufig ein Ersatzteil verkauft wurde.
Anstatt der üblichen XYZ-Einteilung verwenden wir eine speziell für Ersatzteile konzipierte Klassifizierung.
Sie berücksichtigt gerade die seltenen Bedarfe in eigenen Klassen. Wegen des speziellen Charakters beschäftigt sich ein eigener Beitrag ausschließlich mit dem Aufbau dieser einfach nutzbaren Klassifizierung für Ersatzteile.
An dieser Stelle zumindest in Kürze die dabei verwendeten Klassen. Der Auswertungs-Zeitraum beträgt dabei ein Jahr:
- F(ast): mindestens wöchentlicher Verbrauch, >50,
- G(ood): mindestens monatlicher Verbrauch, >12,
- M(iddle): mindestens ein Verbrauch pro Quartal, >4,
- S(low): mindestens 2 Verbräuche,
- U(nique): ein Verbrauch,
- W(ithout): ohne Verbrauch.
Hiermit bilden Sie nicht nur sprechende Klassen. Außerdem sind diese Klassen in aufsteigender Reihenfolge.
Im Ersatzteillager gebundenes Kapital klassifiziert
Wir haben jetzt 18 Klassen gebildet.
Was sofort auffällt:
Erwartungsgemäß fällt das weit überwiegende Gros der Bestandspositionen in die Bestandsklasse c. Allerdings auch der Wert des Bestands.
Immerhin erlaubt der Zugriff auf nur 108 Ersatzteile die Steuerung von aktuell 1,3 Millionen Euro gebundenen Kapitals. Konzentrieren wir uns also zunächst auf dieses Segment. Dafür bieten sich 2 Ansätze an:
- alles, was sich regelmäßig bewegt,
- die Lagerleichen, die ohnehin schon wertberichtigt werden mussten.
Bei gängigen Ersatzteile die Kapitalbindung reduzieren
Lediglich 41 Ersatzteile stehen für eine Kapitalbindung von 7 % des Bestands. Damit ist der Ansatz für kurzfristige Effekte identifiziert. Denn nur bei regelmäßig verkauften Ersatzteilen bewirkt die Drosselung des Zuflusses überhaupt etwas.
Allerdings ist hier auch das Risiko am größten. Denn für Ihre Kunden ist Ihre gute Verfügbarkeit der Grund, warum Sie bevorzugt bei Ihnen kaufen. Wenn also aus gängigen Bestands-Artikeln Fehlteile werden, ist der Reputationsschaden maximal.
Kapital bindende Renner-Ersatzteile
Doch zurück zu den Potenzialen in der Bestandsreduzierung. Wenn wir jetzt zurückspringen in die ersten Zeilen der abc-Klassifizierung des Bestands, sehen wir in der rechten Spalte die Wert-Klasse. Um nicht mit den einzelnen Euro je Stück zu hantieren, wird auch hier klassifiziert. Interessant sind insbesondere die Klassen
- E(xtreme)
und
- H(igh).
Dies sind einige wenige, daher sollte auch das Risiko handhabbar sein. Bei diesen wenigen Ersatzteilen muss die Maßnahme daher lauten:
- die Bestellmenge darf, wenn eben möglich, nicht größer als 1 sein,
- Sicherheitsbestände müssen regelmäßig kritisch hinterfragt werden
- Ihr Demand Planing berücksichtigt bei Prognosen auch Strukturbrüche, wie 2020 durch Covid.
Schon, wenn Ihre Ersatzteil-Disponenten bei exakt diesen Teilen regelmäßig mit den Lieferanten sprechen, können sie das Risiko von Fehlteilen begrenzen. Wohlgemerkt, wir sprechen über handverlesen wenige Teile. Es sind zuerst diese Teile, die den Cash-Flow beeinflussen. So können Sie mit wenigen Artikeln Ihre Liquidität sicherstellen.
Auch bei Lagerleichen im Ersatzteillager ansetzen
Nun interessieren wir uns für die Kehrseite der Medaille, für die toten Teile. Die bilden die Spitze bei den Überbeständen.
63 Ersatzteile stehen für 12 % des Bestands. Diese Ballung des gebundenen Kapitals muss für jeden, der nicht aus dem After Sales kommt, befremdlich wirken. Die Masse der kaum gängigen Ersatzteile scheint notwendig zu sein, um eine hohe Verfügbarkeit zu generieren. Wie man sieht, liegt diese allerdings wie Blei im Lager. Hier ist der Auslöser für Wertberichtigungen zu suchen.
Da sich selbst diese hochwertigen Bestände nicht bewegen, passiert kurzfristig nichts. Es sei denn, diese Ersatzteile erlauben eine technische Um-Nutzung.
Kapitalbindung durch Lagerleichen im Ersatzteillager
Alternative Nutzungen bei Überbeständen einsetzen
Klassische Maßnahmen sind beispielsweise
- die Demontage, wenigstens in einige verkäufliche Ersatzteile,
- der Umbau,
- die Ersetzung eines ähnlichen Ersatzteils durch diese hochwertige Bestandsposition,
- die Montage zu einer gängigen Baugruppe.
Außerdem können Sie verkäuferische Maßnahmen anwenden. Immerhin könnte ein ehemaliger Kunde Interesse zeigen. Oder aber ein Kunde, der die zugeordnete Maschine verwendet.
Und abschließend könnte auch eine Rückgabe an den Lieferanten gelingen. Sicher eine selten erfolgreiche Variante. Aber einen Versuch bei so wenigen Bestandspositionen ist es wert.
Eine Zitrone kommt allerdings noch. Solche Maßnahmen verbieten sich nämlich, wenn es um den Allzeit-Bestand nach End-of-Production (EoP) geht.
Diese sehr begrenzten Maßnahmen zeigen, dass kurzfristig generierter Cash Flow eher nicht zu erwarten ist. Daher muss es um die grundsätzlichen Wege zur Bestandsoptimierung gehen.
Ersatzteileinkauf sorgt für Bestand bei Lieferanten
Der Ersatzteileinkauf verhandelt nicht nur Preise. Vielmehr geht es die ganzheitliche Senkung der Kosten. Dazu gehören eben auch die Nebenkosten.
So ist es durchaus möglich, dass der Lieferant erforderliche Rohlinge selbst beschafft. Dadurch werden nicht nur Transportkosten gesenkt. Auch die interne Kommissionierung entfällt, ganz abgesehen von allfältigen Problemen durch Zählfehler. Sogar auf eine eigene Inventur beim Lieferanten für Ihre Beistellteile können Sie verzichten.
Und ganz nebenbei haben Sie die Bestände nicht mehr in Ihrer Bilanz.
Bestandscontrolling begleitet Ihre Prozess-Verbesserungen
In den vielen Ersatzteil-Organisationen hapert es vor allem an Transparenz. Denn die schiere Masse an Ersatzteilen blockiert oft den Blick für das große Ganze. Wie wir oben gesehen haben, liegen tatsächlich 80 % des Bestands über 17.000 Positionen verteilt an Lager. Damit rückt für den operativen Betrieb die Massendaten-Verarbeitung in den Fokus.
Das Bestandscontrolling kann die Optimierung des gebundenen Kapitals unterstützen durch Kennzahlen, wie
- die Reichweite des Bestands,
- den gesamten Wert des Bestands,
- den durch sogenannte kritische Ersatzteile gebundenen Bestand,
- den Wert des Bestandes nach Wertberichtigung.
Indem diese kpi um Klassen wie oben ergänzt werden, wird operativ der Fokus für die nächsten Schritte geschärft. Das kann allerdings sauber aufgesetzte Projekte zur Datenpflege nicht ersetzen.
Solche Überlegungen bilden oft den Startpunkt für Verbesserungsprojekte. Mit Unterstützung durch die spezialisierte Managementberatung no-stop.de definieren Sie zügig anstehende Maßnahmen.
Kapitalbindung in der Lieferkette
In einer modernen Ersatzteil-Organisation liegen die weitaus meisten Ersatzteilbestände im Zentrallager. Eine schnelle Distributionslogistik ersetzt umfangreiche Lagerhaltung in anderen Teilen der Supply Chain.
Niederlassungsläger beschränken sich dabei auf hochgängige Ersatzteile. Nicht mehr benötigte Ersatzteile werden schon nach kurzer Bündelung an das Zentrallager retourniert. Auch die Bestände auf Kundendienst-Fahrzeugen beschränken sich auf das, was der Techniker wirklich benötigt.
Aber ist das wirklich so?
Bei einer sehr großen Zahl an Technikern muss eine regelmäßige Bestandskontrolle erfolgen. Dabei sind die Methoden die gleichen, wie oben beschrieben. Nur bedarf es einer ziemlichen Hartnäckigkeit, um tatsächlich alle Kundendienst-Fahrzeuge von Ballast zu befreien. Das liegt nicht zuletzt daran, dass schlechte Erfahrungen bei der Ersatzteilversorgung zum Horten führen.
Händler-Bestände nur restriktiv zurücknehmen
Gerade langjährige Händler führen oft ein beachtliches Sammelsurium an längst vergangenen Ersatzteilen im Sortiment. Eine Rücknahme verbietet sich nicht nur aus Gründen der Kapitalbindung. Außerdem würde jede Retoure Kosten generieren für
- Transport,
- Kontrolle,
- Lagerung,
- und womöglich Zoll.
Daher bietet sich hier eher die Bildung virtueller Läger an. Mit der Übersicht der Bestände in der Lieferkette, dem virtuellen Ersatzteil-Pool, werden die "alten Kamellen" nur im Bedarfsfall gehandelt.
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Andreas.Noll@no-stop.de